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Unzufriedenheit ist der 1. Schritt zum Rückfall!

Ich glaube, es gibt mindestens so viele Gründe Alkohol oder andere Suchtmittel zu konsumieren, wie Menschen, die ihrem Suchtmittel verfallen sind. Dennoch schiebt sich einer der vielen Gründe für mich immer wieder in den Vordergrund.

Die Unzufriedenheit!

Ich weiß nicht von wem der folgende Spruch kommt, dennoch spiegelt er meine gemachten Erfahrungen wider.

„Unzufriedenheit ist der erste Schritt zum Rückfall!“

Ein Satz, dem eine gewisse Logik innewohnt. Und wenn wir den Grund dafür schon wissen, sollte es doch ein Einfaches sein, ihn abzustellen.

Der Satz lässt sich übrigens auch auf nicht abhängig konsumierende Menschen anwenden, denn auch diese können zurückfallen. Ich glaube jeder Mensch hat Gewohnheiten und Mechanismen, die in der Kindheit durchaus sinnvoll gewesen sind und uns bis in unser erwachsenes Leben begleiten. Leider hindern uns diese Gewohnheiten und Mechanismen daran, auch erwachsen zu handeln. Dabei ist es egal um welches Problem es geht, wir verhalten uns mit diesen, uns liebgewordenen Gewohnheiten, nicht erwachsen und handeln nicht nachhaltig!

Der Umgang mit uns selbst ist eben oftmals nicht einfach. Ich glaube es gibt mindestens 2 Arten von Unzufriedenheiten. Die erste nenne ich einmal „den schnellen Ärger“. Er tritt plötzlich auf und nach einer relativ kurzen Zeit finden wir eine Lösung für diesen Ärger und können ihn abstellen. Damit will ich nicht sagen, dass er nicht zu einem Rückfall führen kann. Wenn ich mir einen Menschen vorstelle, der erst vor Kurzem den Ausstieg aus dem Konsum geschafft hat, den kann ein Unfallschaden am Auto schon aus der Bahn werfen, während ein in seiner Abstinenz gefestigter Mensch vom Ärger durchgeschüttelt wird, er kurz darüber nachdenkt und die nötigen Schritte einleitet. Nach ein paar Tagen stellt er fest, dass der Ärger verflogen ist und flammt höchstens noch einmal kurz auf, wenn das Gespräch darauf fällt.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal eine Lanze für die Selbsthilfegruppen brechen. Gerade Menschen, die sich noch nicht so lange auf dem Weg in die dauerhafte Abstinenz befinden, können dort aufgefangen und gestärkt werden. Die Selbsthilfegruppe bietet eine Form, wo ich meine Gefühle auf den Tisch legen kann. Ärger ist ein mächtiges Gefühl, da es oft mit der Angst den Ärger nicht bewältigen zu können einhergeht. Ich darf dort mal meinen „seelischen Müll“ abladen, ich darf an den gemachten Erfahrungen der anderen Gruppenmitglieder teilhaben und kann mir aus diesen Erfahrungen das für mich Beste herausnehmen. Vielmals haben Männer ihre Probleme damit zuzugeben, dass sie gefühlsmäßig angeschlagen sind. Da wir immer noch überwiegend in einer Gesellschaft leben, in der die Rollen klassisch auf die Geschlechter verteilt sind, das beobachte ich jedenfalls in den Gruppengesprächen, schwebt bei Männern im Hinterkopf, ich darf nicht schwach sein. Schwäche wird vielfach mit „sich nackig machen“ gleichgesetzt. Als „Nackter“ bin ich angreifbar, schwach und verletzlich. Wer verletzt wird empfindet Schmerz – es ist ein Teufelskreis. Ich spüre instinktiv oder beobachte bei anderen, das Offenheit oftmals Erleichterung und bringt und dies zur Lösungsfindung beiträgt. Dennoch hindert mich meine Angst, die mit dem Ärger einhergeht, am sinnvollen Handeln.

Leider ist ein Umdenken mit sehr viel eigener und auch schmerzhafter Arbeit an meiner Persönlichkeit verbunden. Das Gute ist, diese Persönlichkeitsarbeit kann ich mir durch die regelmäßigen Gruppenbesuche erleichtern.

Die zweite Möglichkeit für Ärger nenne ich mal den „unterschwelligen Ärger“. Der hat die Angewohnheit sich in unser Leben einzuschleichen. Nun kennen wir es aus unzähligen Cowboy- und Indianerfilmen, wer sich anschleicht wird oftmals zu spät erkannt. Dies ist der Ärger, der in seiner Art fast unmerklich, aber sehr hartnäckig ist. Hat er erst einmal zugebissen, lässt er nicht mehr los. Er beißt immer wieder in die gleiche Stelle und fängt an zu nerven, ohne sich als wahre Ursache erkennen zu geben. Er wirkt im Untergrund unseres Bewusstseins. Dies macht es uns so schwer, die wahre Ursache für unsere wachsende Unzufriedenheit zu erkennen. Viele „Macken“ aus meiner Saufzeit habe ich in meine bis heute andauernde Abstinenzphase mitgenommen und auch einige Überlebensstrategien aus der Kindheit mögen mit dabei sein.

Eine davon, welche auch mit zu meiner Abhängigkeit geführt hat, ist nicht NEIN sagen zu können. Sehr oft aus Bequemlichkeit, vielfach aus Angst vor Ablehnung oder aus Angst ausgeschlossen zu werden, habe ich in Situationen ja gesagt, wo ich hätte, nein sagen sollen. Ich habe mich selbst vergewaltigt. Mich überredet bzw. gezwungen etwas zu tun, was ich nicht wollte. Ein solches Verhalten ist auf Dauer krankmachend.

Die Lösung ist so einfach wie schwer zugleich. Achtsam und behutsam mit mir selbst umgehen, mich selbst und meine inneren Widerstände wahr- und ernst zu nehmen. Nur wenn ich innehalte und auf mich achte, kann ich die kleinen körperlichen und psychischen Reaktionen spüren. Nur dann habe ich mir die Chance geschaffen darauf angemessen zu reagieren. Nicht angstgesteuert, sondern aus der Achtsamkeit, Vernunft und Ruhe heraus.

Nichts ist so schwer wie dies zu verändern. Sich zu erspüren und dann adäquat darauf zu reagieren. Viele Menschen macht es so große Angst, dass sie sich lange gegen wirkende Maßnahmen sträuben. Das wissen wir, die wir aufgehört haben Suchtmittel zu konsumieren nur zu gut. Wir haben lange alle möglichen Ausreden gefunden um das Suchtmittel, in meinem Fall der Alkohol, nicht bei Seite zu stellen müssen.

Als Moderator einer Selbsthilfegruppe stelle ich diese Widerstände immer bei noch Konsumierenden, wie auch bei deren Angehörigen fest. Sie verteidigen sich und ihre Krankheit bis zum Schluss, der Kapitulation.

Ich möchte hier den römischen Philosophen Lucius Annaeus Seneca einmal anders zitieren. Er hatte gesagt:

„Niemand ist so ängstlich, dass er lieber immer hängt als einmal fällt.“

Ich möchte auf uns Abhängige, deren Angehörige und anderen Menschen mit hartnäckigen Gewohnheiten bezogen sagen:

„Die Angst kann so mächtig sein, dass er lieber länger hängt als einmal fällt.“

Seien wir also achtsam mit uns und gehen wir behutsam mit uns um.

Liebe Grüße, euer Gerald

SoberGuide für:
Alkohol, Angehörige, Nikotin, Psychische Beeinträchtigung
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